Einführungsveranstaltung zum Aschaffenburger Leitfaden

Fotos Impressionen

Am 23.07.2018, also ein Jahr nach Fertigstellung, fand die Vorstellung des Aschaffenburger Leitfadens unter Einbeziehung sozialpolitischer und
wissenschaftlicher Eindrücke im Martinushaus Aschaffenburg statt.

Die 80 Anwesenden fanden ein Plenum vor, das sowohl auf praktische Erfahrungen zurückgreifen konnte, als auch den sozialwissenschaftlichen
Kontext gut beleuchtete.

Prof. Dr. Bausback als bayerischer Justizminister verwies darauf, dass trotz der großen Kraft der Unabhängigkeit der Richter und Richterinnen,
ein solcher „best practice codex“ für alle am Verfahren Beteiligten nur gewinnbringend sein kann. Dass er diese Arbeit der Vernetzung unterstützt
und dafür auch in seinem Alltag als Justizminister Beispiele findet, zeigte er eindringlich an seinen jüngsten Erfahrungen mit einer ukrainischen
Delegation, die den Münchner Leitfaden mit großer Verwunderung und Faszination wahrgenommen hatte.

Dr. Meysen als Mitglied der Kinderrechtekommission und des Deutschen Familiengerichtstages und langjähriger Vorstand des Deutschen Instituts
für Jugendhilfe schärfte den Blick dafür, dass ein interdisziplinäres Miteinander von verschiedenen Professionen zum einen, neben der Schaffung
von Klarheit und Einheitlichkeit für die betroffenen Eltern, auch eine Macht darstellt und dass mit dieser Macht sorgsam umgegangen werden muss.

Er beleuchtete die unterschiedlichen Sichtweisen zum Begriff „Einigung der beteiligten Professionen“, aber auch der betroffenen Eltern und Kinder
und setzte sich dabei bewusst damit auseinander, dass der Leitfaden eine „gelenkte Freiwilligkeit“ fordert und bei gewissenhafter Durchführung von
allen Beteiligten für die Betroffenen sehr hilfreich sein kann. Durch die im Leitfaden gewünschte Beschleunigung der Institutionswege und Angebote
sieht er, dass die Entschleunigung der Problematik Hochstrittigkeit ermöglicht wird.

Es wurde ein klarer Blick auf die Verfahrensbeistände gerichtet, die im Leitfaden ein stärkeres Gewicht als im FamFG vorgesehen, erhalten. Diese
im Leitfaden vorgesehene Konkretisierung sendet zum einen eine Botschaft an die Verfahrensbeistände, was ihre Notwendigkeit betrifft, aber sie
soll auch klarmachen, dass die Botschaft, die von ihnen gesendet wird, eine berichtende Tätigkeit ist, bei der der Widerspruch zu den eigenen
Vorstellungen immer genau reflektiert sein muss. Das Gericht gibt dabei seine Regelungskompetenz nicht ab, sondern konkretisiert sie. Es greift
durch seine Maßnahmen und strukturierte Arbeitsweise in die Regelungsmöglichkeiten steuernd ein.

Der Erfahrungsbericht von Herrn Richter Dr. Och aus dem Familiengerichtsbezirk Würzburg hat dies bestätigt. Eine „Haltung“ aller Verfahrens-
beteiligten ist durch den nun schon seit mehreren Jahren bestehenden Leitfaden etabliert worden. Großer Vorteil des Familiengerichts Würzburg
zur auch praktizierten Durchführung des Leitfadens, ist die Installation der gerichtsnahen Beratung. In Würzburg werden von Beratungsstellen in
einem extra dafür vorgesehenen Raum Beratungen für die im Sorge- oder Umgangsverfahren sich befindenden Eltern direkt im Kontext mit dem
Gerichtverfahren angeboten. Dieses Vorgehen erleichtert die Durchsetzung der Leitfadenideen.

Im Unterschied zu dem Aschaffenburger Leitfaden wird in Würzburg noch weniger Vortrag seitens der Anwälte postuliert und der Leitfaden ist
sehr viel stärker in Einzelpositionen durchstrukturiert.

Ebenfalls als Leitbild des Aschaffenburger Leitfadens, wurde der Erlanger Leitfaden herangezogen. Hierzu erläuterte Frau Claudia Schmid, die
im Jahr 2011 den Erlanger Leitfaden mitentwickelt hat, aus Sicht der Fachanwältin für Familienrecht und Verfahrensbeiständin die damit
einhergehenden Vorteile.

Das Engagement der derzeit vorhandenen Richtergeneration in Erlangen ermöglicht es, dass der Leitfaden wieder Fahrt aufgenommen hat.
Ohne die Ernsthaftigkeit der zuständigen Richter, eine gemeinsame Vorgehensweise zu etablieren, wäre auch in Erlangen der Leitfaden nicht zum
Tragen gekommen.

Gemeinsam mit Herr Richter Dr. Och, bestätigt sie, dass die Leitfäden immer im Fluss sind. Es werden in manchen Jahren nur Formulierungen
geändert, in anderen werden ganze Passagen überprüft. Der Leitfaden ist kein in Stein gemeißeltes Werk, sondern entwickelte sich stetig mit
vor Ort vorhandenen Gegebenheiten fort.

Schriftliche Berichte der Verfahrenbeistände schon vor dem ersten Termin hält sie nicht in jedem Fall für hilfreich.

Herr Oberbürgermeister Klaus Herzog hat eine erfrischend unjuristische aber umso klarere Sichtweise auf die dem Leitfaden zu Grunde liegende
Problematik gegeben. Die Grundmotivation des Leitfadens „Konfliktdeeskalation“, um die Rückgewinnung der Selbststeuerung der betroffenen Eltern
und Menschen zu erreichen, beschrieb er zum einen aus seiner beruflichen Erfahrung als Lehrer an anschaulichen Beispielen und stellte damit noch
einmal den Wert der Bewusstmachung und Aufarbeitung von Konflikten auf der Paarebene für eine gute Elternarbeit heraus. Zum anderen aber
berichtete er auch im Verlauf des Abends darüber, dass sich nach jahrelangen Einsparungswünschen seitens des Stadtrates gerade in den
vergangenen Jahren, ein Bewusstsein in der Stadt entwickelt hat, dass diese Arbeit Manpower braucht und hierfür Menschen gut ausgebildet und
verantwortlich eingestellt werden mussten. Um dies immer weiter im Blick zu haben, wird dies in der Stadt auch weiterhin durch eine Fachkraft
neben dem Leiter des Jugendamtes im Auge behalten.

Für den Leitfaden, und das wurde in der abschließenden Diskussion deutlich, braucht es neben der Motivation der Beteiligten auch die Kapazitäten.
Auch wenn klargestellt wurde, dass sowohl bei Jugendamt Landkreis als auch Jugendamt Stadt die Terminierungen zeitnah erfolgen können, bleibt
ein großes Problem die Ausstattung der Beratungsstellen, um ein qualitativ zielführendes Ergebnis für die Betroffenen und damit die Kinder zu finden.

Claudia Schöffel